Buchgestaltung – vom Schreiben, Lesen und Gestalten
»Schreiben heißt nicht Geschichten erzählen.
Es ist das Gegenteil von Geschichten erzählen.
Es ist: alles auf einmal erzählen.
Es ist: eine Geschichte und das Fehlen dieser Geschichte erzählen.
Es ist: eine Geschichte erzählen, die durch das Fehlen einer Geschichte zustande kommt.«
Marguerite Duras
Buchgestaltung –
die Kraft
des Fehlenden
Eine Gelungene Buchgestaltung bedeutet, ein starkes Ganzes zu schaffen, den Betrachter zwischen den Zeilen lesen zu lassen, nichts darf aufgesetzt oder gekünstelt wirken. Das optimlale ist erreicht, wenn alles zusammenpasst. Wie kann aus dem Inhalt heraus Kraft und Energie entwickelt werden? Welche Bildkombinationen, welche Text-Bildkombinationen ergänzen sich? Wie werden Freiräume geschaffen, die dem Betrachter die Freiheit geben, seine Gedanken schweifen zu lassen? – Die Kraft des Weglassens.
Meist entwickelt sich zu Beginn ein Leitgedanke, ein Leitmotiv. Reading Ed Ruscha stellt das über fünf Jahrzehnte kontinuierlich verfolgte künstlerische Interesse des Künstlers an Büchern, Typografie und am Akt des Lesens in den Mittelpunkt.
Als ich ein Kind war und langsam ein Bewusstsein für Wörter zu entwickeln begann – nicht nur für ihre Bedeutung, sondern auch für ihr Gewicht, ihre Dauer und Dichte –, sah ich vom Rücksitz des in den 1950er Jahren gebauten Chevy meines Vaters aus ein ESSO-Schild. Da ich das Wort nicht kannte, von seinem Klang jedoch fasziniert war, fragte ich meinen Vater, was es bedeutete. „Das ist Benzin“, sagte er. Doch es war offensichtlich nicht „Benzin“. Mit der Zeit erkannte ich in diesem Wort einen Entstehungsort für Sprache. …
W. S. Di Piero
Reading Ed Ruscha S. 36
Ed Ruscha, THE BACK OF HOLLYWOOD, 1977, Öl auf Leinwand, Collection Musée d‘ Art Contemporain, Lyon
Ruschas Werk ist beständig, kohärent und anspielungsreich. Seit den 1960er Jahren verbindet und vergleicht er unterschiedlichste Motive miteinander. Bei seinen in den 1970er und 1980er Jahren entstandenen unbestimmt bedrohlichen Darstellungen des Hollywood-Schriftzugs handelt es sich im Grunde um aus Wörtern zusammengesetzte Landschaftsbilder.
W. S. Di Piero
Reading Ed Ruscha S. 43
»Wörter sind wie Muster wobei sie in ihrer Horizontalität eine Antwort auf meine Untersuchung der Landschaft liefern.«
Ed Ruscha
Die Rolle(n) des Buchgestalters
akribisch forschen, kreatives schaffen –
klar entscheiden und vermitteln
Am Anfang steht die Recherche. Alles, was ich zum Thema finden kann, versuche ich im Vorfeld zu sichten. Dann gilt es sich über Rohtexte, Materialien, Fotos einen Überblick zu verschaffen.
Sobald man eine Visualisierung entwickelt und präsentiert, muss man auch die Machbarkeit und das Budget berücksichtigt haben. Es wäre fatal, einem Künstler/Studio etwas vorzuschlagen, was sich später als nicht bezahlbar herausstellt. Es bedeutet Koordination und Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Personen aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Mit dem Museum, seinem Direktor und seiner Publikationsabteilung, den Autoren, dem Künstler und seinem Atelier, der Druckerei, dem Fotografen, dem Lithografen, der Lektorin und der Marketingabteilung …
Ich freue mich immer, wenn ich die Essays zum ersten Mal in gestalteter Form auf meinem Bildschirm lese. Während des Lesens verbessere ich den Textfluss, korrigiere Umbrüche und mikrotypographischen Setzungen. Vieles ist automatisiert das Programm sucht nach Buchstaben Kombinationen bei denen ich eine größeren/kleinere Spationierung wünsche. Es ist wie Ed Ruscha sagt: »Worte sind wie Muster«, daher können Abstände den Fluss stören oder aber eine ungeahnte Energie entwickeln, wenn sie richtig ausbalanciert werden. Das Lektorat bringt eine spürbare Verbesserung, alles wirkt konsistent und gut durchgearbeitet.
Man kann Buchgestaltung mit dem Arbeiten an einer Skulptur aus Stein vergleichen. Man arbeitet sich vom Groben zum Feinen vor, hält sich an Gesetzmäßigkeiten oder aber trifft fatale Entscheidungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. In Stein gemeißelt.
Der Wert eines Buches
Die Unveränderlichkeit des gedruckten Wortes ist der entscheidende Unterschied zwischen einem Buch und der digitalen Welt. Und die Langlebigkeit und Haltbarkeit und die damit verbundenen hohen Kosten sind der Unterschied zu einer gedruckten Broschüre. Wie präzise und professionell der Drucker seine Maschine auch beherrscht, kein Bogen, der aus der Maschine kommt, ist bei genauester Betrachtung exakt gleich. Wie in einem Fluss fließt nie das gleiche Wasser an einem vorbei und spätestens mit dem Gebrauch wird jedes Buch zu einem Unikat. Es kommt nicht selten vor, dass Bücher, die ich gestaltet durfte, nach 2 Jahren statt für 45 € dann gebraucht für über 300 € oder sogar nur noch für 900 € zu haben sind. Die Kraft des einmal entscheidenden.
»In beiden hier beliebig herausgegriffenen Fällen – der Ulysses-lesenden Marilyn Monroe und den Foucault verfallenen Cool-Kids – gehen Pop- und Hochkultur eine Symbiose ein, die zwischen Intellekt und Sinnlichkeit changiert und das Buch als Zeichen eben dieser Verbindung markiert. Besondere Wirkung erzielt diese Symbiose, weil sie nicht allein als abstrakte Konstruktion präsentiert wird, sondern mit der Biografie und Identität der vorgestellten Personen, seien sie real oder fiktiv, verwoben ist.«
Ed Ruscha lesen, Yilmaz Dziewior
Reading Ed Ruscha, S.9
Reading Ed Ruscha
Kunsthaus Bregenz, 2012
Herausgegeben von Yilmaz Dziewior
Buchgestaltung: Stefan Gaßner, Bernd Altenried
Essays von Beatrice von Bismarck, Douglas Coupland, Yilmaz Dziewior und W. S. Di Piero
German / English 256 Seiten
24 x 30 cm, Hardcover
Erschienen: August 2012
Noch als gebrauchtes Exemplar erhältlich
Buchgestaltung
Verlage:
Dafne Editora
Lars Müller Publishers
Buchhandlung Walther König
distanz Verlag
Birkhäuser
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